Die Zukunft entscheidet sich jetzt - Teil 1

31.03.2017
Beitrag

Straßen zu erhalten, kostet Geld. Straßen nicht zu erhalten, kostet die Zukunft und noch mehr Geld.

Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Dazu gibt es eine weitverbreitete Abbildung von drei Affen, die nebeneinander sitzen. Der erste hält sich die Ohren zu, der zweite verdeckt seine Augen und der dritte seinen Mund. Diese Allegorie hat ihren Ursprung in einem japanischen Sprichwort nach Konfuzius, bei dem es in überspitzter Form um den Wunsch geht, sich nur mit dem Angenehmen zu befassen und alles Unschöne so weit wie möglich auf Distanz zu halten. Die Zwänge der Realität werden wider besseren Wissens ignoriert.

Das Verhalten der Landesregierung bei den am letzten Freitag abgeschlossenen Haushaltsberatungen im rheinland-pfälzischen Landtag erinnert mich allzu sehr an die populäre fernöstliche Darstellung. Zum Schmunzeln ist mir dennoch nicht zumute. Denn das Jahr 2017 ist richtungsweisend. Der diesjährige Haushalt hätte es auch sein müssen.

Die Zukunft des ländlichen Raums entscheidet sich an einem leistungsfähigen Verkehrsnetz und einer flächendeckenden digitalen Infrastruktur

Um zu verstehen, warum wir jetzt die Grundlagen für unseren zukünftigen Wohlstand legen müssten, müssen wir den Blick auf die dünner besiedelten Regionen unseres Bundeslandes richten: Die ländlichen Räume in Deutschland bluten aus. Das ist keine apokalyptische Vorhersage, sondern statistische Wirklichkeit. Dabei handelt es sich um kein spezifisch deutsches Problem. Die Erfahrung zeigt, dass nur zwei Faktoren geeignet sind, die Abwanderung vom Land in die Städte aufzuhalten: Erstens, ein leistungsfähiges Verkehrsnetz, damit das tägliche Pendeln zur Arbeit nicht zur Tortur wird, und der ländliche Raum als Standort für Unternehmen attraktiv bleibt. Und zweitens, eine Internetanbindung mit Geschwindigkeiten, die der Landbevölkerung den vollen Zugriff auf alle Möglichkeiten bietet, die sich durch die Digitalisierung eröffnen. Tragischerweise zeigt sich das Totalversagen der rheinland-pfälzischen Landesregierung in keinem Politikfeld so deutlich wie bei diesen beiden Aufgaben, die für die Zukunft unseres Landes essentiell sind.

„Die Verkehrsinfrastruktur ist mitentscheidend für den Erfolg unseres Landes im internationalen Standortwettbewerb“, so Ministerpräsidentin Dreyer im vergangenen Jahr. Große Worte, aber folgen denen auch große Taten? Die Realität auf rheinland-pfälzischen Straßen sieht anders aus. Im Jahr 2015 hat der Landesrechnungshof den Zustand des rheinland-pfälzischen Landesstraßennetzes untersucht. Das Ergebnis war niederschmetternd. 55 Prozent der Landesstraßen befanden sich in einem problematischen bis sehr schlechten Zustand. 29 Prozent der Straßen waren in einem derart schlechten Zustand, dass sie eigentlich unverzüglich gesperrt und erneuert werden müssten. Da sich die Zahlen auf den Zustand der Straßen im Jahr 2012 beziehen, wird davon ausgegangen, dass die Schäden mittlerweile nochmals gravierender sind.                                            

55 Prozent der Landesstraßen befanden sich in einem problematischen bis sehr schlechten Zustand

Damit dies dem Autofahrer nicht auffällt, hat sich die Landesregierung folgende Strategie überlegt: Es wird nur der Teil der Straßen erneuert, der für die Autofahrer sichtbar ist. So schreibt der Landesrechnungshof, der Schwerpunkt der Landesregierung liege „nicht auf Schadensprävention und grundhaften Straßenerneuerungen, sondern auf preisgünstigen dünnschichtigen und oberflächenverbessernden Instandsetzungen.“ Dies hat zur Folge, dass sich der Zustand der darunter liegenden Befestigungssubstanz fortlaufend verschlechtert. Im Jahr 2012 belief sich der Investitionsstau für die Landesstraßen bereits auf 968 Mio. Euro, im Jahr 2017 beträgt er mehr als 1,1 Mrd. Euro.

Ernsthafte Erneuerungen werden in die Zukunft verschoben. Dabei wäre es für den Steuerzahler günstiger, einmal richtig zu sanieren als fortwährend nur die nötigsten Schäden zu beheben, wie auch der Landesrechnungshof schreibt: „Werden überwiegend oberflächenverbessernde Instandsetzungen und Reparaturen ausgeführt, fallen – auf Dauer betrachtet – höhere Kosten für den Erhalt des Straßennetzes an als bei einer am Lebenszyklus orientierten Erhaltungsstrategie.“

Um einen weiteren Verfall der Landesstraßen zu verhindern, wären jährliche Erhaltungsmittel in Höhe von 89 Mio. Euro notwendig. Sollte man das Landesstraßennetz gar verbessern und nicht lediglich den Wertverlust aufhalten wollen, müsste man dreistellige Millionensummen - wie übrigens in anderen Flächenländern üblich - in das Landesstraßennetz investieren. Wie viel waren die Landesstraßen Verkehrsminister Wissing am Ende wert? Im Haushaltentwurf finden sich 95,1 Mio. Euro für den Erhalt, Um-, Aus- und Neubau von Landesstraßen. Das bedeutet, dass - sofern keine zusätzlichen Schäden auftreten - der Investitionsstau jährlich um 6,1 Mio. Euro verkleinert werden kann. Bei dieser Geschwindigkeit sind alle Straßenschäden in der Höhe von 1,1 Mrd. Euro in 180 Jahren, also im Jahr 2198 beseitigt. Das meint die SPD, wenn sie von „zukunftsorientierter Politik“ spricht.

Wir Rheinland-Pfälzer brauchen ein zukunftsfähiges Straßennetz, und wir brauchen es sofort. Aus diesem Grund hat die CDU-Landtagsfraktion vorgeschlagen, die Mittel für die Landesstraßen im Jahr 2017 um zusätzliche 9 Mio. Euro, im Jahr 2018 um weitere 18 Mio. Euro und die Zuschüsse für Planungskosten um 4 Mio. Euro zu erhöhen.

Zustand der Kreisstraßen noch weitaus besorgniserregender

Der Zustand der rheinland-pfälzischen Kreisstraßen ist nochmals kritischer als der Zustand der Landesstraßen. Bei der letzten Zustandserfassung in den Jahren 2011 und 2012 erhielt jede dritte Kreisstraße die schlechteste mögliche Note. Nur um zu verhindern, dass sich der schlechte Zustand nicht weiter verschlechtert, wären im vergangenen Jahr rund 60 Mio. Euro jährlich notwendig gewesen. Bereitgestellt wurden 43,5 Mio. Euro. In diesem Jahr sollte - so angekündigt - alles anders werden. Doch die angekündigte Investitionsoffensive bleibt aus. Auch im Haushalt 2017 sind für die Kreisstraßen nur 47 Mio. Euro vorgesehen. Der Erhaltungsstau der Kreisstraßen wird also auch dieses Jahr um weitere 13 Mio. Euro anwachsen.

Daher hat die CDU-Landtagsfraktion der Regierung vorgeschlagen, die Mittel für den kommunalen Straßenbau auf 9 Mio. Euro zu verdoppeln. Bei dieser Summe bewegen wir uns bereits an der unteren Grenze dessen, was wir für vertretbar halten.

Bundesmittel können aufgrund mangelnder Planung nicht verbaut werden

Auch die rheinland-pfälzischen Bundesfernstraßen sind an vielen Stellen verbesserungswürdig, ihr Zustand wird jedoch als deutlich besser eingestuft als derjenige der Landes- und Kreisstraßen. Seit 2012 werden die Mittel kontinuierlich erhöht und Bundesverkehrsminister Dobrindt hat die Investitionen auf einen neuen Höchststand gehoben. Doch der Landesbetrieb Mobilität (LBM) kommt nicht hinterher, die aus Berlin bereitgestellten Mittel auch tatsächlich zu verbauen. Den Mitarbeitern des LBM kann an dieser Stelle jedoch kein Vorwurf gemacht werden. Infolge der seit Jahren mangelhaften Ausstattung des Landesverkehrsetats hat der LBM Personal abbauen müssen. Dass ab dem Jahr 2020 eine Vielzahl von LBM-Ingenieuren in den Ruhestand eintritt, war nicht nur seit Langem bekannt, es hat im Mainzer Verkehrsministerium auch keinen der Verantwortlichen interessiert.

Als wir im vergangenen Jahr im Deutschen Bundestag den Bundesverkehrswegeplan 2030 verabschiedet und alleine für rheinland-pfälzische Straßenprojekte 3,8 Mrd. Euro bereitgestellt haben, kam es, wie es kommen musste: 46 Mio. Euro, die für Bundesfernstraßen in Rheinland-Pfalz vorgesehen waren, mussten ungenutzt nach Berlin zurückgeschickt werden. Der Grund: Personalmangel in den Planungsabteilungen. Stattdessen wurden die Rheinland-Pfalz-Millionen an andere Bundesländer verteilt und die Rheinland-Pfälzer gehen wieder einmal leer aus.

Bis sich die Personalsituation beim LBM entspannt haben wird, werden einige Jahre vergehen. Um die Lage kurzfristig zu entschärfen, schlägt die CDU-Landtagsfraktion daher vor, die Mittel für die externe Vergabe von Ingenieurleistungen um 2 Mio. Euro pro Jahr zu erhöhen. So können wir die LBM-Mitarbeiter, die bereits heute einen Berg an Überstunden vor sich herschieben, entlasten und mit mehr Flexibilität auf neue Investitionsmittel reagieren. Bislang betragen sie in Rheinland-Pfalz 5 Mio. Euro, während z.B. Bayern mehr als 200 Mio. Euro pro Jahr an externe Planungsbüros vergibt.

In Zukunft wird der Bund die Bundesstraßen selbst planen

Langfristig werden wir den Mitarbeitern im LBM, die für die Autobahnen zuständig sind, durch die Gründung einer Infrastrukturgesellschaft des Bundes deutlich bessere Arbeitsbedingungen bieten können. Außerdem hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Beschleunigung von ausgewählten Infrastrukturprojekten angeregt, die wir in Kürze beschließen werden und die auch Straßenprojekte in Rheinland-Pfalz umfassen wird.

Doch ein Muster tritt allzu deutlich zutage: Überall dort, wo es darum geht, wer Investitionen bezahlen soll, stiehlt sich die Landesregierung aus der Verantwortung. Das traurige Fazit: Auch wenn die Landesregierung die sinkende Neuverschuldung feiert, schlummert unter unseren Landes- und Kreisstraßen ein gigantischer Schuldenberg, von dem niemand in der Landesregierung gerne spricht und den die nachfolgenden Generationen abtragen müssen.

 

Wie es um den Ausbau der digitalen Infrastruktur steht, lesen Sie im zweiten Teil: http://www.patrick-schnieder.de/artikel/die-zukunft-entscheidet-sich-jetzt-teil-2